Bürgerräte jetzt in Hamburg möglich

Heute wird die Hamburgische Bürgerschaft eine wichtige Entscheidung fällen: Bürgerräte werden möglich. Die bisher fehlende gesetzliche Grundlage dafür wird geschaffen, dass Hamburger Behörden für Bürgerbeteiligungen im öffentlichen Interesse aus dem amtlichen Melderegister Teilnehmende auslosen dürfen, die zu dialogorientierten Beteiligungsverfahren eingeladen werden.

Auf diese Weise können alle Hamburger Behörden, städtische Unternehmen und öffentlich-rechtliche Einrichtungen zu Beteiligungsverfahren und Stakeholder-Foren gezielt einladen, so dass für die jeweilige Fragestellung die relevanten und vielfältigen Lebensrealitäten der Menschen einfließen können. So können ein Mini-Hamburg, Mini-Bezirk, Mini-Stadtteil oder Mini-Quartier dargestellt werden und repräsentative Einsichten und Empfehlungen für Planungs- und Entscheidungsprozesse berücksichtigt werden.

Durch das Auslosen ist es möglich, repräsentative Gruppen von Bürgern und Bürgerinnen einzubeziehen und auch Menschen einzuladen, die sonst kaum an Beteiligungsverfahren nutzen oder die man mit Veröffentlichungen über solche Verfahren nicht erreicht. Ihre Stimmen einzufangen ist jedoch in einer zunehmend vielfältigen Bevölkerung sehr wichtig, damit diese Vielfalt in die Pläne und Entscheidungen des Senats einfließen kann. Darüber hinaus liefern solche dialogbasierten Verfahren die Grundlage dafür, dass die Teilnehmenden es aus nächster Nähe erfahren, wie Pläne und Entscheidungen entstehen, auch wie komplex solche Entscheidungen sein können. In unserer Zeit mit Massen von Kurzmeldungen und dem Propagieren einfacher Lösungen für komplexe Sachfragen.

Mehr Demokratie hat zusammen mit der Hamburger Zivilgesellschaft – namentlich dem Zukunftsrat Hamburg, der Patriotischen Gesellschaft und dem Nachhaltigkeitsforum Hamburg - mehrere Jahre darauf hingearbeitet, dass Bürgerräte ermöglicht werden. Seit November 2020 steht im Artikel 56 der Hamburgischen Verfassung „Bürgernähe“ als Handlungsgebot für den Senat. Der Begriff wird dort aber nicht definiert. Der Artikel besagt auch „Das Nähere regelt ein Gesetz“. Das heute zu verabschiedende Gesetz nimmt auf diesen Verfassungsartikel keinen expliziten Bezug, leistet aber einen wichtigen Baustein dazu. Als eine abschließende Definition für Bürgernähe kann dieses Gesetz jedoch nicht gelten.

Seit die Volksentscheide in Hamburg verbindlich sind, ist es für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs enorm schwer, ihre Anliegen verfassungsfest zu formulieren. Der letzte erfolgreiche Volksentscheid war „Unser Hamburg – unser Netz“. Etwas Besseres hätte Hamburg sich gar nicht erträumen können. Wir warten mit Spannung, wie das wichtige Volksbegehren „Hamburger Zukunftsentscheid“ mit den verfassungsrecht-lichen Hürden zurechtkommt. Wenn wir nicht rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen gegen die Erderwärmung ergreifen, wird der Spielraum für andere politische Entscheidungen immer enger und enger. Das ist Gift für die Demokratie.

Wir arbeiten auch an möglichen Konzepten für Kombinationen der direkten Demokratie mit Bürgerräten.

Helena Peltonen-Gassmann