Volksgesetzgebung: Hamburg im Rückwärtsgang?

Alle Jahre wieder kommen aus der Hamburger Parteienlandschaft die gleichen Signale: Die Volksgesetzgebung muss eingeschränkt werden. Und alle Jahre wieder sind es die gleichen Argumente, vor allem: Die Hürden müssen erhöht werden, um Volksentscheide „repräsentativer“ zu machen, und Initiativen sollen vorher sagen, wie sich ihr Anliegen finanzieren lässt.


Auch in diesen Tagen äußerten sich die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und CDU so, als hätten sie mit solchen Einwänden nur das Gemeinwohl im Auge.  „Wo waren denn zuverlässige Kostenberechnungen von Senat und Bürgerschaft, als es um das Olympia-Referendum ging?“ fragt Manfred Brandt vom Verein Mehr Demokratie. „Und wer hat das Milliarden-Desaster um die HSH-Nordbank verursacht? Das waren Senat und Bürgerschaft, aber doch nicht das Volk.“ Dass Volksentscheide „von unten“ zu einer Staatskrise führen könnten, sei daher absurd. „Wenn das so wäre, müsste die Schweiz längst bankrott sein. Doch erkennbar ist das Gegenteil der Fall.“  An die Adresse des CDU-Fraktionsvorsitzenden André Trepoll gerichtet erinnert der Mehr-Demokratie-Sprecher daran: „Als Ole von Beust zum ersten Mal Bürgermeister wurde, haben weniger als 19 % der Wahlberechtigten für ihn gestimmt.  Er brauchte Schill und die FDP, um regieren zu können. War das repräsentativ? Trotzdem hat niemand nach neuen Gesetzen und höheren Hürden gerufen.“


Während andere Bundesländer  allmählich ihre Hürden für  Volksabstimmungen senken, liebäugelt ein Teil der Hamburger Politprominenz  offenbar mit dem Rückwärtsgang.  „Natürlich wird das Regieren nicht leichter, wenn Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen können“, so Manfred Brandt. „So ist das nun mal in einer lebendigen Demokratie. Aber offenbar gibt es in Hamburg immer noch Kreise, die dem Obrigkeitsstaat nachtrauern.“ Vor zwanzig Jahren fanden die ersten beiden Volksbegehren in der Hansestadt statt, seitdem hat auch außerhalb der Parteien der politische Widerstand gegen die neuen Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger nicht aufgehört. Vor allem auf Bezirksebene lässt der Senat seit einigen Jahren Bürgerbegehren und Bürgerentscheide fast regelhaft ins Leere laufen. „Tausende von Menschen, die mit ihren lokalen Anliegen gescheitert sind, nehmen diese Missachtung ihrer Belange nachhaltig übel“, schätzt Brandt.


Spürbare Einschränkungen der Volksgesetzgebung gab es bereits im Zuge des gescheiterten Olympia-Referendums.  Hinzu kam 2016  das Urteil des Hamburger Verfassungsgerichts, wonach die Bürgerschaft Vorrang haben müsse vor einem Volksentscheid. Seitdem gab es zwar mehrere Volksinitiativen, doch die endeten regelmäßig mit einem Kompromiss. So auch bei der Kita-Initiative, deren Umsetzung jetzt angeblich unbezahlbar ist und deshalb womöglich vom Verfassungsgericht überprüft wird. Da stellt sich für Mehr Demokratie die Frage: „Was nützen Vereinbarungen und Kompromissgespräche, wenn deren Ergebnisse nicht ernst genommen werden? Soll jetzt erneut das Verfassungsgericht die politische Debatte ersetzen?“

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Manfred Brandt Tel. 7402497 oder 0176-70759718