[Pressemitteilung]: "Lauter vorgeschobene Gründe"

Warum CDU, SPD und Grüne schon wieder das Wahlrecht ändern wollen

Dass jetzt erneut am Hamburger Wahlrecht herumgeschraubt werden soll, ist keine Überraschung: Schon seit dem vergangenen Jahr, als es in der Bürgerschaft um die Verfassungsänderung in Sachen Olympia-Bewerbung ging, gab es die Verabredung zwischen CDU-Opposition und rot-grüner Regierungskoalition, die vom Volk beschlossene Wahlrechtsreform doch wieder ein Stück weit zurück zu drehen. Seit dem Volksentscheid von 2004, mit dem das antiquierte Hamburger Ein-Stimmen-Wahlrecht abgeschafft wurde, haben mächtige Parteizirkel immer wieder versucht, das Wahlrecht zu ihren Gunsten zu „vereinfachen“ und zu „modernisieren“. Auch nach der einmütigen Verabschiedung des aktuellen Wahlgesetzes, das auf einen Kompromiss mit Mehr Demokratie zurück geht, hörte das Genörgel in einflussreichen Kreisen der Bürgerschaft nicht auf. Selbst die Grünen, die von Anfang an zusammen mit Mehr Demokratie für das derzeitige Wahlrecht gestritten hatten, mäkeln jetzt daran herum.


Die offizielle Begründung für den neuerlichen Änderungsvorschlag der CDU findet der Hamburger Landesverband von Mehr Demokratie scheinheilig: „Es wird so getan, als sorge man sich um die Menschen, die angeblich überfordert sind, wenn sie zweimal fünf Stimmen vergeben sollen. Doch schon 2011 nach der ersten Wahl mit den neuen Regeln stellte ein Gutachten von Prof. Cord Jakobeit von der Uni Hamburg fest, das neue Wahlrecht sei zwar bei den Wählern angekommen, aber nicht bei den Parteien“, so Manfred Brandt, Vorstandsmitglied im Hamburger Landesverband von Mehr Demokratie. „Das Kritisieren des neuen Wahlrechts soll verschleiern, dass es den Parteien hauptsächlich darum geht, den Einfluss der Wählerinnen und Wähler auf die Zusammensetzung der Bürgerschaft und der Bezirksversammlungen zu verringern. Sie wollen wieder selbst bestimmen, welche ihrer Kandidaten ins Parlament einziehen“.


Auch das Argument der gesunkenen Wahlbeteiligung zieht nicht, denn damit haben seit längerem sogar Länder mit ganz anderen Wahlsystemen zu kämpfen. Es kann also nicht an der Hamburger Wahlrechtsreform liegen. Den Vorwurf, das Wahlrecht vertiefe die soziale Spaltung Hamburgs, hält Mehr Demokratie ebenfalls für vorgeschoben. Brandt: „Die soziale Spaltung der Stadt mag sich in der Wahlbeteiligung spiegeln, aber sie ist nicht die Ursache. Die muss die Politik bei sich selbst suchen. Und wer vor dem Wahltag das neue Wahlrecht schlecht redet, wie dies in Hamburg teilweise in Politik und Medien geschehen ist, darf sich hinterher nicht beschweren, wenn daraufhin etliche Wahlberechtigte zu Hause geblieben sind.“


Angeblich ist das neue Wahlrecht zu kompliziert und schrecke durch die langen Listen die Wählenden ab, die nicht nur Parteien, sondern einzelne Listenkandidaten ankreuzen können. Brandt: „Gelegentlich sagen Menschen, man kenne die Kandidierenden auf dem Wahlzettel doch gar nicht. Auch dieser Vorwurf geht an die Parteien zurück. Sie haben es – mit oder ohne Absicht - versäumt, ihre eigenen Kandidaten bekannt zu machen. So genannte Fairness-Abkommen, mit denen Kandidaten auf hinteren Listenplätzen verpflichtet wurden, nicht für sich selbst zu werben, sprechen da eine deutliche Sprache.“



Übersicht Wahlbeteiligung in anderen Bundesländern:

Nordrhein-Westfalen 2012: 59,6 %

Schleswig-Holstein 2012: 60,2 %

Sachsen-Anhalt 2011: 51,2 %

Rheinland-Pfalz 2011: 61,8 %

Niedersachsen 2013: 59,4%

Mecklenburg-Vorpommern 2011: 51,1 %

Brandenburg 2014: 47,9 %

Berlin 2011: 60,2 %



Für Rückfragen:

Dr. Manfred Brandt, Tel. 7402497 oder 0176-70759718