„Im Grundgesetz steht nicht: Alle Staatsgewalt geht von den Parteien aus“, war einer der Merksätze, für die Günther Beckstein, ehemaliger bayerischer Innenminister und späterer Ministerpräsident, Beifall von seinem Hamburger Publikum erntete. Der prominente CSU-Mann war Hauptredner beim Festakt zum 20jährigen Bestehen des Gesetzes über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in der Hansestadt (Freitag, 21.9.2018). Der Hamburger Landesverband von Mehr Demokratie e.V. hatte zu dem Abend im Rudolf-Steiner-Haus am Mittelweg eingeladen. Zu Gast war auch Hamburgs Finanz- und Bezirkssenator Andreas Dressel, der zusagte, demnächst - zusammen mit Mehr Demokratie - Initiativenvertreter zu strittigen Fragen rund um bezirkliche Bürgerbegehren einzuladen. Er sprach auch einige Ideen an, mit denen die bisherigen Verfahren anwendungsfreundlicher gestaltet werden könnten.
Beckstein, ein überzeugter Anhänger von Volksabstimmungen als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie, wusste nur Gutes über die direkte Demokratie zu berichten, die in Bayern eine sehr viel längere Tradition hat als im Norden. Vor allem auf der kommunalen Ebene pries er die niedrigen Hürden, die bei Abstimmungen in Bayern üblich sind. „Alle negativen Erwartungen haben sich nicht bewahrheitet. Heute gibt es bei uns keine nennenswerte politische Kraft mehr, die höhere Hürden fordern würde.“ Dass die Bürger sparsamer sind als ihre Repräsentanten und deshalb eher nicht für sogenannte Leuchtturmprojekte stimmen, ist eine Erfahrung, die auch aus anderen Ländern bekannt ist und von Beckstein bestätigt wurde. Als Grund nannte er unter anderem eine Erkenntnis, die sich in Hamburg noch nicht überall durchgesetzt hat: „Das Volk ist nicht dümmer als die Mandatsträger“, sagte er. „Kirchturmdenken und Eigeninteressen gibt es auch in Parlamenten.“ Befremdlich findet Beckstein das Hamburger Evokationsrecht, das dem Senat die Möglichkeit gibt, Bürgerbegehren oder Beschlüsse von Bezirksversammlungen zu kippen. „Wollte die Landesregierung so etwas in bayerischen Städten und Gemeinden versuchen, käme es zum Aufstand mit einer Art umgekehrter Evokation von unten“ zeigte er sich überzeugt. „Die kommunale Selbstverwaltung hat bei uns einen hohen Stellenwert.“ In seiner Rede sprach sich der gebürtige Franke auch für die Einführung des bundesweiten Volksentscheids aus, allerdings nur mit einem Verfahren, das genügend Zeit für den Austausch von Argumenten auf allen Seiten zulässt. Beckstein: „Die Debatte – und nicht die Alternativlosigkeit - gehört zum Markenkern der Demokratie.“
Die brandaktuelle Broschüre „Noch viel Luft nach oben – 20 Jahre Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hamburg“ finden Sie unter folgendem Link:
<link https: hh.mehr-demokratie.de fileadmin pdf md_hh>hh.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/MD_HH/2018_09_10_BB_Hamburg_20Jahre_Broschu__re_web.pdf