Weiterentwicklung des Wahlrechts in Hamburg

Nach dem Motto, „Nichts ist so perfekt, als dass es nicht noch besser gemacht werden könnte!“ hat die Landesmitgliederversammlung 6 Forderungen zur Weiterentwicklung des Wahlrechts in Hamburg beschlossen.

Damit Demokratie lebendig bleibt und noch lebendiger wird, müssen die Abläufe und die Regeln fortlaufend überprüft und bei Bedarf weiterentwickelt werden. Dieses gilt insbesondere für das Wahlrecht. Dazu gehört es auch, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, insbesondere dort, wo es nicht um die unmittelbare Wahl geht.

Unsere 6 Forderungen:

1. Abgabe der Unterschriften für Unterstützer auch elektronisch

Mehr Demokratie Hamburg spricht sich dafür aus, dass die Unterstützererklärungen für die Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft (§ 23 BüWG) sowie zu den Hamburger Bezirksversammlungen (§19 BezVWG) zukünftig auch elektronisch abgegeben werden können.

Ebenso sollten die Unterstützerunterschriften für Bürgerbegehren, Volksinitiativen und Volksbegehren (Unterstützerunterschriften bei allen direktdemokratischen Verfahren) zukünftig auch elektronisch abgegeben werden können (vgl. dazu auch § 9 VAbstG). Die Anforderungen an die Authentifizierung sollen gegenüber der bisherigen Straßensammlung nicht ansteigen.

Die Online-Eintragung in Ergänzung zu den bereits bestehenden Eintragungsmöglichkeiten ist in Zeiten der Digitalisierung längst überfällig.

Zudem bietet die elektronische Ergänzung für die Verwaltung den Vorteil, dass die Überprüfung der Unterstützererklärung wesentlich schneller und vor allem auch wesentlich kostengünstiger durchgeführt werden kann.

2. Sperrklausel bei Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft

Die Sperrklausel (derzeit 5% gemäß § 5 Abs. 2 BüWG) führte bei der Bürgerschaftswahl 2020 dazu, dass 449.217 Stimmen nicht in der Hamburgischen Bürgerschaft repräsentiert werden. Dieses waren 11,05 % der abgegebenen 4.062.376 Stimmen.

Diese Regelung sollte überarbeitet werden, um die Zahl der wirkungslosen Stimmen zu reduzieren und die Repräsentation der gesellschaftlichen Vielfalt in der Bürgerschaft zu verbessern. Mehr Demokratie Hamburg schlägt vor, die Sperrklausel für die Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft analog der Sperrklausel für die Wahlen zu den Hamburger Bezirksversammlungen auf 3 % abzusenken.

Eine Absenkung der Sperrklausel auf 3 % ist aus Sicht von Mehr Demokratie Hamburg unproblematisch, da dies die Anzahl der Fraktionen in der aktuellen Hamburgischen Bürgerschaft nur um eine Fraktion, die der FDP, erhöht hätte.

Hätte bei der Bürgerschaftswahl 2020 bereits die 3 % Sperrklausel gegolten, wären nur 247.158 Stimmen ( = 6,08 %) nicht berücksichtigt worden.

Bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft im Jahre 2015 hätte die Absenkung der Sperrklausel keine Änderungen zur Folge gehabt (147.716 Stimmen wurden nicht berücksichtigt = 4,17 %).

Bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft im Jahre 2011 hätte die Absenkung der Sperrklausel keine Änderungen zur Folge gehabt (188.938 Stimmen wurden nicht berücksichtigt = 5,5 %).

Eine Absenkung der Sperrklausel auf 2 % statt 3 % hätte nur bei der Bürgerschaftswahl 2011 dazu geführt, dass zusätzlich die Piratenpartei in die Bürgerschaft eingezogen wäre.

Die Anwendung ist so zu gestalten, dass diese online auf dem PC und per Smartphone-App niederschwellig genutzt werden kann.

3. Sperrklausel bei den Wahlen zu den Hamburger Bezirksversammlungen

Das Hamburger Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung HVerfG 6/20 u.a. entschieden:

Die Bezirke der Freien und Hansestadt Hamburg stellen weder Selbst­verwaltungs­körper­schaften im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG dar noch besitzen sie Rechtsfähigkeit.

Die Hamburger Bezirksversammlungen sind also nur weisungsgebundene Verwaltungs­ausschüsse, die ebenso wie die Bezirke den Weisungen des Hamburger Senats unterstehen.

Damit entfällt jegliche Legitimation für eine wie auch immer geartete Sperrklausel (zurzeit gemäß Artikel 4 Abs. 3 HV 3 %) für die „Wahlen“ zu den Hamburger Bezirksversammlungen.

Mehr Demokratie Hamburg spricht sich dafür aus, dass die derzeitige Sperrklausel in Artikel 4 Abs. 3 HV ersatzlos gestrichen wird.

4. Briefwahlunterlagen

Um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, schlägt Mehr Demokratie Hamburg vor, dass jeder Wahlberechtigte statt den Musterstimmzetteln die Briefwahlunterlagen mit Stimmzetteln direkt zugeschickt bekommt.

Die Wahlberechtigten sollten ab vier Wochen vor dem Wahltermin im Rathaus oder den Bezirks- und Ortsämtern abstimmen können.

5. Anzahl der Wahllokale

Bei der Bundestagswahl wurden über 50 % der Stimmen mittels Briefwahl abgegeben. Es ist daher an der Zeit, über die Anzahl der Urnen- und der Brief-Wahllokale nachzudenken. Um auch zukünftig das Wahlverhalten in den einzelnen Wahlbezirken nachvollziehen zu können, sollte es zukünftig zu jedem Urnen-Wahllokal auch ein vom Gebiet identisches Brief-Wahllokal geben.

Zudem ist die Beantragung der Briefwahlunterlagen via Internet weiter zu verbessern. Technische Defizite, wie beim Beginn der Bundestagswahl, sollten sich nicht wiederholen.

6. Broschüre mit Vorstellung der Parteien und Kanditaten

Um die Wahlbeteiligung weiter zu erhöhen, schlägt Mehr Demokratie Hamburg vor, dass jeder Wahlberechtigte zusammen mit den Briefwahlunterlagen eine Broschüre mit Vorstellung der Parteien und Kandidaten in seinem Wahlkreis direkt zugeschickt bekommt.

In der Broschüre hat jeder Kandidat und jede Partei die Möglichkeit, sich kurz vorzustellen. Das Verfahren ermöglicht insbesondere, dass die Wahl - wie z.B. in der Schweiz - zu Hause oder am Arbeitsplatz diskutiert wird. Ziel dieses Verfahrens ist die stärkere Politisierung und die Erhöhung der Wahlbeteiligung.

Bernd Kroll